Zu wenig Grün im Karl-August-Kiez.
Der Karl-August-Kiez ist im Vergleich eins der 5 Wohngebiete mit dem wenigsten Grün in Berlin. Nein, das bezieht sich nicht auf die Regierung von Charlottenburg – die ist halbwegs Grün. Sondern auf chlorophyllhaltige Lebewesen – häufig Pflanzen genannt.
Wenn man in der Innenstadt wohnt, vielleicht sogar aufgewachsen ist, hat man sich daran gewöhnt, bis zum Grunewald, dem Tiergarten oder gar ins Umland zu fahren, um mal die Luft zwischen Bäumen zu atmen.
Muss das sein?
In der Stadt wird eine bessere Luftzirkulation benötigt, mehr Sauerstoff, weniger Schadstoffe. Pflanzen können maßgeblich dabei helfen, die Luftqualität zu verbessern (Luftreinigungswaschmaschinen). In erster Linie gilt das für Bäume. Nur können die leider nicht überall stehen. Das äußert sich in dem Umstand, dass im Kiez so wenig Grün vorhanden ist, dass er im Vergleich der Berliner Kieze auf einem der fünf letzten Plätze landet. Auf rbb-online gibt es dazu einen schönen Artikel aus dem Jahr 2021, der das sehr schön visualisiert.
Ein nicht ganz neues Ziel sollte daher sein, mehr Flächen im Kiez dem Beton zu entreißen und den Lebewesen zur Verfügung zu stellen, die unsere Luft produzieren, reinigen und verbessern: den Pflanzen, speziell den Bäumen.
Keine Flächen für Grün?
Offenes Land für eine Grünanlage gibt es im Karl-August-Kiez nicht mehr so viel. Aber immerhin einen Parkplatz in der Schillerstraße 37–39. In der Nacht ist der Parkplatz nur zu 25–50% – also den AnwohnerInnen – belegt. Die Hälfte könnte daher in eine kleine Grünanlage umgewandelt werden. Die Kunden der Geschäfte können in die Parkhäuser fahren – oder gleich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen.
Die Fußgängerzone der Weimarer Straße zwischen Goethe- und Pestalozzistraße ist super zum Rollschuhfahren oder für Elektro-Boards. Dabei wird aber nie die ganze Fläche genutzt. Auch hier wäre eine gemischte Gestaltung aus Wiese und Rennstrecke eine Gestaltungsidee. Zum Federballspielen ist eine Wiese auch viel angenehmer. Einen reinen Steinplatz hat vielleicht Karl-August zum Aufstellen seiner Personenschutztruppe gut gefunden – heute bevorzugen wir wieder Grün.
Viele Innenhöfe sind ohne Not versiegelt. Regenwasser kann nicht versickern und landet auf Kosten der Mieter in der Kanalisation. Innenhöfe, die Kraftfahrzeugen als Parkplatz dienen, können mit Rasengittersteinen bzw. Rasengittern entsiegelt werden – die Parkplätze bleiben.
Die langfristige Verlagerung von privaten Kraftfahrzeugen in Tiefgaragen oder Parkhäuser erlaubt es, sukzessive Stellplätze auf der Straße umzuwidmen: Stellplätze zu Grünflächen – so einfach. Jeder zweite Parkplatz ein Hochbeet.
Und wieder mal die Dächer
Viele wissen es gar nicht: auf dem Dach der Arcaden an der Ecke Wilmersdorfer und Schillerstraße befinden sich einige kleine Wiesen mit einem Bienenstock sowie einem kleinen Spielplatz. Die fleißigen Summseln sammeln dort die Pollen der vielen Linden im Kiez. Stadthonig ist chemisch weniger belastet als Landhonig, in dem teilweise grenzwertüberschreitende Mengen an Pflanzenschutzgiften gefunden werden. In Paris ist der auf der Pariser Oper gesammelte Honig schon lange ein Hit bei Honig-Fans. Die Wiese auf den Arcaden verhindert das Aufheizen des Daches bzw. der darunterliegenden Räume. Das Wasser im Boden hilft, die Luftfeuchtigkeit in der näheren Umgebung zu regulieren. Den Wohnungen drumherum liefert das Szenario geradezu ein ländliches Flair. Leider gelangt man nicht ohne weiteres auf das Dach, wenn man dort niemanden kennt.
Im Kiez sind noch sehr viele Dächer frei, um darauf vor allem Gräser oder mittelgroße Pflanzen wachsen zu lassen. Ein Drittel der Stadt könnte Wiese sein – das würde die Stadt spürbar um ein paar Grad kühlen.
Die größten Flachdächer sind sicher die von
- Woolworth
- Karstadt und
- der Eichendorf-Grundschule.
- die Kant-Garagen
- alle Dächer der Wohnhäuser zusammen ergäben außerdem eine weitaus größere Fläche
Grob geschätzt sind etwa 40% der gesamten Kiezfläche schwarz gedeckte Hausdächer (Dachpappe), die der Erwärmung durch die Sonne im Sommer eine unnötige Fläche bieten.
Vorteile der Dachbegrünung
In den letzten 50 Jahren sind unzählige Studien und Pilotprojekte gelaufen, die vielfältige Vorteile aufgezeigt haben:
- Klimaverbesserung
- Heizkostenersparnis
- Luftqualität
- Stadtgärten
- Mini-Landwirtschaft
- Vogelschutz
- Insektenschutz
- Wasserspeicher und Verdunstungsfläche
- zusätzliche Freizeit- oder Nutzfläche
Die befürchteten Nachteile haben sich allesamt als ungerechtfertigt bewiesen:
- die Dächer leiden darunter nicht, wenn sie richtig präpariert sind
- in den Wohnungen landen nicht mehr Insekten als vorher, weil die auf ihrer Wiese bleiben – was sollen die auch in den Wohnzimmern?
- Schrägdächer lassen sich auch gut begrünen, wenn dem technisch Rechnung getragen wird
Und wieder mal die Hauswände
Es gab Zeiten, in denen war es ganz normal, dass Hauswände mit Wein bewachsen waren – also als landwirtschaftliche Fläche in nächster Nähe dienten. Als Kletterhilfe für Casanova tat es auch Efeu. Wenn man den Pflanzen mit hängenden Gefäßen behilflich ist, kann da alles wachsen. Je nach Himmelsrichtung, sonnen- oder schattenliebende Arten. Blumen, Gewürze, Mose. Insbesondere schöne Blumen sind in luftiger Höhe sicher vor Diebstahl und erfreuen dennoch die FußgängerInnen.
Pflanzen an der Hauswand sind leichter zu installieren, brauchen keinerlei Pflege und haben ähnliche Vorteile wie Pflanzen auf dem Dach: Klimaregulierung im Sommer wie Winter. Allerdings braucht ein Efeu oder Wein ein paar Jahre, bis er oben angekommen ist.
Eine Zeit lang befürchtete man, die Pflanzen könnten die Bausubstanz beschädigen. Leider hat man erst nach dem Abholzen erkannt, dass die Kletterspezialisten sich lediglich am Mauerwerk oder Putz festsaugen und beim Ablösen nur ganz leichte Ränder hinterlassen, die sich bei Bedarf abbürsten lassen oder unter einem Anstrich verschwinden. Auch hier steht im Hintergrund, dass die Pflanze nichts davon hätte, wenn sie ihren Träger schädigen würde.
Für die Straße
Das Thema war ja eigentlich Grünfläche pro Mensch. Also zurück auf die Straße.
Zu den Ideen von Entsiegelung gehört zum Beispiel, den von Hunden und BeifahrerInnen genutzten Randstreifen an der Bordsteinkante zu begrünen; in den Außenbezirken ist das ohnehin die Regel.
Kleine Ecken, die durch unterschiedliche Bebauung entstanden sind, dienen bisweilen nur der Anhäufung von Müll und anderem Unrat. Eine Entsiegelung böte Raum für einen Baum, Busch oder Rasenfleck. Gehen Sie mal durch den Kiez und suchen Sie solche Ecken und Flecken – wenn Sie uns schreiben, listen wir die hier schon mal mit auf.
Viele kleine und mittlere Grünflächen und Flecken, die vorher versiegelt waren, helfen außerdem, die voraussichtlich häufiger werdenden Starkregenmengen schneller abzuleiten. Wenn sie versickern können, danken es die Straßenbäume auf ihren einsamen Baumscheibeninseln, die in der Stadt ohnehin Qualen leiden – und die Keller bleiben trocken.
Hinderlich dabei ist der Verwaltungsaufwand. Wir können nicht einfach in einer geeigneten Ecke die Pflastersteine entnehmen und ein Bäumchen setzen. Das kann nur im Rahmen einer Stadtplanung geschehen. Dafür setzen wir uns ein – machen Sie mit!
Fotos: Daniel Tietze