Gibt es einen Parkplatzmangel?
Kleine Studie zum Parkraum im Karl-August-Kiez
Gibt es eine Parkplatznot im Kiez? – Viele werden darauf mit Ja antworten. Wie kommen Sie darauf? – Weil ich ewig nach einem Parkplatz suchen muss. Müssen Sie deshalb oft falsch parken? – Nein, ich parke nie falsch.
Eigentlich ist der Artikel hier schon zu Ende. Denn diese exemplarische Antwort einer befragten Autofahrerin sagt aus, dass sie im Kiez nicht falsch parkt. Wie kann das sein, wenn es Parkplatzmangel gibt? Gibt es etwa gar keinen Parkplatzmangel? Ist das wieder so ein Mythos, wie angeblich viel Eisen im Spinat? Die Antworten darauf kommen aus der Psychologie und aus der Statistik.
Das Suchen eines freien Parkplatzes langweilt, verursacht inneren Druck. Negative, unangenehme Erlebnisse belasten uns mehr als positive, angenehme. Deshalb kommt uns die Zeit länger vor, in der wir einen Parkplatz suchen, und das merken wir uns dann. Denn in Zukunft würden wir Zeit und damit Energie sparen, wenn wir durch einen Lernprozess schneller zum Erfolg kommen. Wer dagegen ganz schnell einen Parkplatz findet, ist zufrieden. Das hat wenig Energie gekostet, da muss ich kein Hirnschmalz drauf verwenden, um etwas zu optimieren. Merkt man sich daher nicht.
1% der FalschparkerInnen findet keinen der 8% freien Stellplätze.
Die Dame, die nie falsch parkt, ist repräsentativ: nur 1% der Fahrzeuge nutzt keinen offiziellen Stellplatz. Dieses eine Prozent Falschparker sind Fahrzeuge, die nachts in den tagsüber eigentlich benötigten Ausweichzonen stehen (Ecke Krumme und Schiller), an Stellen die nur etwas zu kurz für eine offizielle Markierung sind (gegenüber dem Haus der Familie) oder einfach auf dem Gehweg.
In nächtlichen Zählung zwischen 0 und 4 Uhr waren das im Schnitt 11 Fahrzeuge. Elf Fahrzeuge von rund 1300 Fahrzeugen im Kiez auf öffentlichem Straßenland – 0,85%, gerundet 1%.
Nicht mitgezählt wurden allerdings Fahrzeuge, die in Einfahrten von Wohnhäusern standen. Denn die Hofdurchfahrten sind nicht selten unbenutzt. Das sind zwar keine regulären Stellplätze. Aber sie stellen aus Sicht von FußgängerInnen und Radfahrenden keine großen Hindernisse oder Gefahren dar. Würde man die mitzählen, läge der Anteil der Falschparker deutlich höher.
Diesen 11 Falschparkern standen 110 freie Parkplätze zur Verfügung – genannten 8%. 110 freie Stellplätze auf nur 10 Straßenzügen, mithin 11 Parklücken pro Straßenzug. 10 freie Plätze pro Falschparker. 6 Auswahlmöglichkeiten pro Block.
Selbst wenn die Fahrzeuge aus den Einfahrten mitgezählt würden, hätte jeder noch 2 freie Parkplätze zur Auswahl. Sei’s drum, diese Elf locken nachts keinen Polizisten aus der warmen Wachstube.
Gibt es nun einen Parkplatzmangel?
Nein – jedenfalls nicht aus statistischer oder sprachlicher Sicht. Wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage, spricht man von Überversorgung, nicht von Mangel. Da die freien Plätze aber natürlich nicht gleichmäßig verteilt sind, muss man sie erst suchen. Wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, werden Sie ab jetzt nicht mehr lange suchen. Denn es gibt ein paar Hotspots, an denen es einen teilweise erheblichen Überhang an freiem Parkplätzen gibt: an der Turnhalle der EGS, vor dem Wettbüro, vor The Olive und vor dem AKD – sprich: rund um die Trinitatis-Kirche herum. Das Highlight ist jedoch der große Parkplatz in der Schillerstraße 38, wo rund 40 freie Lücken zu finden sind, auch für Wohnmobile und andere Panzer.
In der Kantstraße zwischen Wilmersdorfer und Kaiser-Friedrich-Straße finden Sie ebenfalls nachts schnell einen Stellplatz. Das ist deshalb besonders erwähnenswert, weil die Pestalozzistraße auf dieser Höhe als einziger Straßenabschnitt wirklich ein Defizit aufweist und daher viele Fahrzeuge an unerlaubten Stellen stehen. Die Leute bräuchten nur um den halben Block zu fahren; es kann schließlich nicht jeder vor seinem Haus parken.
Ähnliches gilt auch für den Abschnitt der Schillerstraße auf der Höhe des Hauses der Familie. Obwohl an dieser Stelle einige Wohnhäuser fehlen und sich gegenüber ein Gewerbehof befindet, zeigen sich hier des Nachts keine freien Plätze. Mitleid braucht man aber nicht zu haben, denn die AutofahrerInnen versuchen es offenbar weder in der gut durchlüfteten Weimarer, noch sind sie bereit, auch nur einen Block von der Bismarckstraße nach Hause zu laufen – denn auf dem Mittelstreifen der Bismarckstraße finden sich viele Parkgelegenheiten. In beiden Richtungen grenzen also Abschnitte mit Überhang an. Kann man daraus schließen, das die Leutchen partout in ihrem Abschnitt parken wollen? Und wenn das nicht geht, parken sie dann doch falsch? Das zeigt außerdem, dass sich der Parksuchverkehr lediglich auf 200 Meter beschränkt.
Fairer Weise sollte erwähnt werden, dass viele Abschnitte Null freie Lücken und Null Falschparker aufweisen. Das sind die, denen diese Studie bereits aus einer Zeitschleife bekannt war.
Was kann ich tun?
In der Diskussion um die Parkraumbewirtschaftung geht es häufig heiß her. Ein oft vorgebrachter Aspekt ist die Anzahl der Parkplätze. Innerstädtisch sei die Zahl der Parkplätze zu niedrig. Das führe zu zeitaufwändigem Parksuchverkehr. Wenn die Geduld zu Ende sei, würde man leider auch bisweilen regelwidrig parken (müssen). Hier soll es nicht um die Frage gehen, ob Parkgebühren als Regelungsinstrument sinnvoll sind, Anwohnerparkausweise oder ungeregeltes Parken. Sondern ausschließlich um die Frage, ob Angebot und Bedarf von Parkplätzen in Einklang stehen.
Selbst Autogegner würden nicht sagen, dass autofahrende Menschen, die im Karl-August-Kiez wohnen, auf dem Olympischen Platz parken können – es sind ja nur 5 Minuten mit der U-Bahn. Es ist verständlich, dass man fußläufig von der Wohnung zum Auto gelangen möchte oder mit der leeren Stullenbüchse fürs Büro wieder nach Hause.
In Interviews haben ein paar zufällig ausgewählte AutofahrerInnen angegeben, sie würden 400 Meter (2 Blocks) oder 5 Minuten zu laufen (500 Meter) oder einen ganzen Block zu umrunden bereit sein (400 Meter). Pustekuchen. Wie wir oben gelernt haben, sind es nur 200 Meter.
Wie viele Schritte sind angemessen zwischen Wohnung und Parkplatz? 400 Schritte Umfang hat der Karl-August-Platz, 1400 sind es zum Lietzensee, 800 zum Savignyplatz. Der Kiez ist mit rund 800 Schritten zu durchqueren, die größte Entfernung mit 13,5 Minuten ist die von der Ecke Leibniz und Bismarck zur Kant Ecke Kaiser-Friedrich. 10.000 Schritte soll man am Tag zurücklegen, um gesund zu bleiben. Autofahrer schaffen das nicht.
Jeder und jede findet einen legalen Parkplatz, wenn man wirklich bereit ist, 400 Meter zu gehen – eine wirklich winzige Entfernung.
Ist das auch aussagekräftig?
So, bliebe noch zu klären, was denn in der Großen Studie noch Erhellendes steht? – An sich das Gleiche. Nur noch etwas ausführlicher, präziser und detailreicher. Jeder Straßenabschnitt wurde für die Zählung in 4 Unterabschnitte geteilt. Die Zählung enthält auch die oben erwähnten Hofdurchfahrten.
Was aber auch eine große Studie nicht besser beantwortet, ist die Frage, wie mit den vielen Stellplätzen zu verfahren ist, die temporär von Containern oder Baustellen genutzt werden. Mitzählen oder nicht? Sie sind ja schließlich vorhanden, im Mittel werden aber immer Parkplätze zweckentfremdet sein. Auch mit Anhängern oder Schrottautos. Mitzählen? Und wie viele Stellplätze gibt es in einer Reihe für das Hintereinanderparken? Rechnet man für ein Fahrzeug 4 Meter Länge, fünf oder gar sechs? Zählt man Motorräder auf dem Gehweg als Falschparker? Wenn das Ordnungsamt so eine Zählung durchführen würde, käme etwas ganz anderes heraus als wenn das Fahranfänger täten. Wie ist mit den temporären Nacht-Parkplätzen zu verfahren, die tagsüber eigentlich für Ladezonen freizuhalten sind. Wie viele Zählungen muss man machen, damit das Ergebnis statistisch repräsentativ wäre? Lässt sich noch eine Standardabweichung berechnen, wenn sich mehr als drei Parameter ändern?
Zur Methode
Gezählt wurde jeder für die Parkraumbewirtschaftung mit weißen Linien markierte Stellplatz. Stand auf diesem ein 2spuriges Kraftfahrzeug, wurde dieses ebenfalls gezählt. War der Platz frei, galt er als freier Stellplatz. Stellplätze, die zum Beispiel mit Baucontainern besetzt waren, wurden als Baucontainer gezählt. Des weiteren wurden Fahrzeuge gezählt, die sich nicht innerhalb einer Markierung befanden – wir nannten sie Falschparker. Wie schon erwähnt, wurden Falschparker in Einfahrten gesondert erfasst. Ebenfalls einzeln gezählt wurden Anhänger, Behindertenparkplätze und temporäre Flächen (nachts). Es gab ein paar Ausnahmen, die jedoch unter 1% lagen und daher nicht weiter Berücksichtigung finden (zum Beispiel zwei quer zur Fahrtrichtung parkende Fahrzeuge auf einer längs angebrachten Markierung, wie Pestalozzistraße 23).
Es wurden Zählungen vorgenommen am Sa 12.4., Do 16.4.20, Fr 17.4.20, Fr 1.5.20, Sa 2.5.20, Mo 11.5.20, So 17.5.20, So 26.7.20, Di 28.7.20 ab 0:00 Uhr, weil die meisten Menschen dann schlafen (ab 23 Uhr) sowie am So 2.8.2020 ab 20 Uhr. Freitag und Samstag sind deshalb von Bedeutung, weil sich außer den Fahrzeugen der KiezbewohnerInnen eventuell stehengelassene Fahrzeuge von Gästen der Gastronomiebetriebe auf Straßenland befinden. Die Zählungen fanden nachts statt, weil in diesen Stunden die Fluktuation am geringsten sein dürfte; in jedem Fall sind die extremen Zeitfenster des morgendlichen und abendlichen Berufsverkehrs nicht enthalten.
Die Straßen wurden mal von Osten, Westen, Norden und Süden beginnend abgelaufen. Mal zuerst die in Ost-Westrichtung, mal die in der Nord-Süd-Achse. Dadurch soll eventuellen Schwankungen in den Schlafenszeiten entgegengewirkt werden, auch wenn im Zeitfenster der Zählungen nicht damit gerechnet wurde.