Fahrräder zu Zapfhähnen
Ein Radweg in der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße? Die SPD sieht Radwege im Hauptstraßennetz. Die CDU möchte vor allem Konflikte vermeiden, die Grünen gehen dem Konflikt aus dem Weg, die Linke gibt den Staffelstab des Orientierungslaufes an Verbände und AnwohnerInnen weiter und die AfD glaubt, die Lösung des »mondänen« Problems in der guten alten StVO bereits vorliegen zu haben. Die FDP hatte den Konflikt als Frage »Rad- gegen Fußverkehr« in den Diskussionsraum gestellt.
Sie haben recht – das ist wieder eine von diesen Überschriften. Uns als unmittelbar betroffener Initiative sind radikale Sprachansätze aber gerade so ausreichend. Die anregende FDP erweckt bei manchen den Verdacht, das Thema sei lediglich ein Streit unter den Kindern der Autofahrer und ihrer Stammtischpolitik nicht wirklich wert.
⁉️ Sie wissen worum es geht, oder? Die Fahrradlobby will unbedingt die Wilmersdorfer Straße mit einem Radweg versehen. »Wie soll das denn gehen?« fragen Sie sich? Damit stehen Sie nicht alleine da – man schaue sich nur das Titelfoto an: die Fußgängerzone ist manchmal so voll, dass keine Seifenblase entkommen kann. Rot-Rot-Grün hatte das Mobilitätsgesetz ausgehandelt. Umwelt- und menschenfreundlichere Bewegungsarten – wie das Zufußgehen und das Radfahren – sollen sicherer und attraktiver werden. Nun fordert die Radlobby ihren Zehnt. Damit ist gemeint, aus den Drahtstiften des Gesetzes mal langsam Nägel mit Köpfen zu machen. Guter Plan.
🄰 Als Initiative für die Aufgabe, den Kiez lebenswert zu erhalten und das auch zu pflegen, erinnern wir das Streitgeflügel hier daran, dass es eine Straße weiter westlich eine hervorragend asphaltierte Straße mit insgesamt 6 Spuren gibt – die überbezirkliche Kaiser-Friedrich-Straße zweiter Ordnung. Eigentlich sollten Straßen dieser Ordnung längst Radwege haben; aber Schwamm drüber. Genauso, wie 2020 auf einigen Berliner Straßen mit Erfolg Popup-Radwege angelegt wurden, wäre dies auf der Kaiser-Friedrich-Straße schnell und kostengünstig zu realisieren. Die Kaiser-Friedrich verbindet den Adenauerplatz über die Bismarckstraße mit dem Charlottenburger Schloss – drei der wichtigsten Kreuzungen für die Verteilung von Verkehrsflüssen nach Norden und Süden. Das Fahrradfreundliche Netzwerk Cha-Wi will schon lange den Radweg auf der Kaiser-Friedrich-Straße.
Wäre auf der Kaiser-Friedrich-Straße eine Fahrradspur vorhanden – sowie eine Parkspur, wie auf der Kantstraße – würde das die jetzigen Gefahren für Biker fast komplett beseitigen. Der Lärm einer zweispurigen Raserstrecke würde auf den Pegel einer einspurige Raserstrecke zurückgehen – vielleicht noch weniger. Diese beiden Aspekte sind deshalb besonders von Bedeutung, weil die momentanen Bedingungen verständlicherweise nach einer alternativen Strecke schielen lassen – niemand fährt dort momentan gerne mit dem Rad. Ein solcher Seitenblick ist jedoch vollkommen unnötig. Nirgendwo in der Gegend könnte man so einfach eine Fahrradspur einrichten. Zumal diese ab dem Charlottenburger Schloss in einen bereits vorhandenen Radweg münden würde.
🄱 Nur 500 Meter in östlicher Richtung finden wir sogar bereits einen ganz guten Radweg auf der Leibnizstraße. Sie kreuzt als Konstanzer Straße am Preußenpark – dort leider ohne Radweg – die Verlängerung der Kaiser-Friedrich in sehr spitzem Winkel, was eine freie Wahl der Strecke Richtung Norden bedeutet, und führt fast parallel und sehr schnell nach Moabit.
Die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf (BVV-CW) hat bereits beschlossen, den Senat zu einem Umbau der Konstanzer Straße aufzufordern (Drucksache 1672/5). Das sicher noch einige Jahre fehlende Stück Radweg auf der Konstanzer spielt bezüglich eines Radweges durch die Fußgängerzone allerdings keine Rolle.
🄲 Nur 300 Meter östlich der Wilmersdorfer verläuft die ebenfalls asphaltierte Weimarer Straße, die RadfahrerInnen sowohl Moabit sowie die Mierendorffinsel erschließt. Allerdings müssten Räder hier die 90 Meter über den Karl-August-Platz geschoben werden; ähnlich dem Ludwig-Kirch-Platz. Die Kiez-Initiative plant zur Zeit begegnungsfreundliche Umbauten, die in Zukunft vielleicht zu einer kurzen Pause am Platz einladen. Insgesamt jedenfalls eine hervorragende Straße zum Radfahren.
🄳 Die sich gerade einmal 200 Meter östlich der Wilmersdorfer Straße windende Krumme Straße ist ebenfalls zum Objekt der Begierde der Fahrradlobby geworden. Sie endet im Süden zwar schon am Stuttgarter Platz und im Norden einsam in Alt Lietzow. Aber in weiser Voraussicht auf eine Niederlage im Kampf um die Straße nach Wilmersdorf muss die Krumme Straße den RadwegplanerInnen wie ein romantischer, Brandenburger Feldweg mit historischem Kopfsteinpflaster vorkommen, auf dem es sich prima radeln lässt. Jedenfalls, wenn man das historische Pflaster weg-asphaltiert. Gegen diesen Vorschlag haben sich Historiker, die Kiez-Initiative und andere bereits ausgesprochen.
Standpunkte der Parteien
SPD Die Charlottenburger SPD steht auch weiterhin zum MobG. Die Sprachgewandten in der Fraktion produzieren sich nun allerdings mit dem süffisanten Hinweis, sichere Radwege könnten doch nicht auf Kosten der sicheren Fußgängerzone entstehen. Angesichts der Bedeutung von Radwegen wären diese auf den Hauptstraßen besser aufgehoben. Ohne hier einen Kommentar geben zu wollen, klingt das logisch.
Linke Die Charlottenburger Linke zieht sich aus der Diskussion zurück, indem sie auf die Mitwirkung der Initiativen bzw. Verbände sowie der AnwohnerInnen persönlich verweist. Als Rahmenbedingung steht auch die Linke dazu, bisherige Auto-Flächen umzuwidmen. Also zum Beispiel eine Spur von Dreien.
Grüne Die Charlottenburger Grünen betonen im namentlichen Streit um die Wilmersdorfer, dass der »Umweltverbund als Ganzes« Vorrang habe. Eine handfeste Antwort auf die Frage, ob ein Radweg in der Wilmersdorfer wirklich sinnvoll ist, klänge anders. Immerhin stellen sie fest, dass 60% des Platzes in der Stadt an die Autos geht. Ein Lösungsansatz aufgrund dieses Umstandes findet sich in der Stellungnahme der Fraktion jedoch nicht direkt. Statt dessen aber die Aussage, die meisten Wege in der Stadt ließen sich am besten mit dem Fahrrad zurücklegen.
Die Frau Nachtigall hätte jetzt vielleicht gemutmaßt »Nachtigall, ick hör dir trapsen«.
AfD Die Charlottenburger AfD prophezeit »Verteilungskämpfe«, weil der »Raum immer knapper« würde. Zunächst muss an dieser Stelle im Sinne eines konstruktiven Feedbacks erneut darauf hingewiesen werden, dass diese Rhetorik sich bereits vor bald Hundert Jahren als aggressiv entpuppt hat. Im demokratischen Diskussionsumfeld, deren Ziel im besten Fall Einigkeit ist, sieht man diese Rhetorik nicht so gerne.
Dank Einhaltung der Verfahrenswege liegt auch eine Stellungnahme zu Radwegen in Fußgängerzonen vor. Die AfD sieht in der Sache wohl wenig Handlungsbedarf. Aus ihrer Perspektive betrachtet, gehören die Fahrräder laut StVO auf die Fahrbahn bzw. einen Radweg, so vorhanden. Da Fußgänger in der Wilmersdorfer Vorrang haben sollten, veböte sich im Sinne eines konflikt- und gefahrarmen Miteinanders dort ein Radweg.
FDP Die Charlottenburger FDP erkennt, dass der schon lange sichtbare Konflikt zwischen den schwächeren Rad- und den stärkeren Autofahrern nun zwischen Fußgängern und Radfahrern zu schwelen beginnt. Sie kann den Wunsch nach schnellerem Vorankommen verstehen. Eine Gefährdung und Beeinträchtigung des Fußgänger sei dadurch jedoch teilweise in hohem Maße gegeben.
Durchaus erwähnenswert das Argument, eine Fußgängerzone sei zum entspannten Einkauf angelegt worden. Da ist was dran. Die RadfahrerInnen ärgern sich schließlich auch über jeden unaufmerksamen Menschen, der auf ihrer Spur steht und gegen Klingeln immun ist.
Nachbarschaftsinitiative
Wenn nicht noch jemandem eine akzeptable Lösung einfällt, wie man einen Radweg durch eine Fußgängerzone leiten kann, ist die Karl-August-Kiez-Initiative eher gegen einen Radweg in der Wilmersdorfer. Alle Beteiligten sollten kompromissbereit und zu Abstrichen bereit sein. Der Initiative ist genauso wichtig, dass die Krumme Straße nicht asphaltiert wird, die Kaiser-Friedrich-Straße einen Radweg erhält und der Radweg auf der Leibnizstraße mehr Berücksichtigung findet.
Was irritiert, ist die Idee, den übergeordneten Netzplan der Radwege durch ruhige Wohnstraßen führen zu wollen: durch die Schillerstraße statt über die Bismarckstraße.
Die Diskussion um einen Radweg in der Wilmersdorfer Straße sollte nur im Gesamtkonzept des überregionalen Radschnellnetzes und der betroffenen Kieze betrachtet werden. Und mit allen Beteiligten. Seit Jahrzehnten gibt es Verbesserungsbedarf bei den Radwegen – er muss nicht übers Knie gebrochen werden.
Quellen: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/aktuelles/thema-des-monats/5-wahlperiode/artikel.1061769.php