Bezirksamt diskutiert über gestaltete Baumscheiben
»Wir bleiben zuversichtlich und heiter«, hört man aus der Fritschestraße (Nord) im Klausener-Platz-Kiez. 600 Unterschriften wurden in nur 4 Tagen gesammelt, erste Politiker, Fraktionen und Presse sind kontaktiert worden – und große Unterstützung kommt aus allen Richtungen – da sollte doch etwas möglich sein?
Offenbar ist etwas möglich: gestern, den 30. Juni, hat das Bezirksamt die Frist zur Entfernung vorerst ausgesetzt.
Wir hatten bereits am 27. Juni berichtet, mit welch brachialer Art das Amt innerhalb weniger Tage sehr gepflegte Baumscheiben räumen lassen wollte. Die schriftliche Androhung zur »Beräumung« der Begrünung von Baumscheiben wurde am 28. Juni an Neun Bäumen aufgehängt.
Die engagierten Nachbarinnen und Nachbarn der Fritschestraße (Nord) haben umgehend schriftlichen Widerspruch beim Grünflächenamt CW gegen die überzogene Räumung der heimeligen Baumscheiben eingelegt, Fristaussetzung erbeten und Anträge auf Gestattung der privaten Baumscheibenbegrünung für 9 Baumscheiben gestellt. Die Fritsche-Initiative ist sich sicher, gerade »damit etwas Gutes für Charlottenburg-Wilmersdorf bewegen zu können, was in ganz Berlin aufmerksam verfolgt werden wird«. Das hoffen wir sehr, denn dieser blinde Verwaltungsakt ist demaßen unsensibel gewesen, wie selbst die größten Verwaltungskritiker es nicht für möglich gehalten hätten. Irgendein Schreibtischheini hat stillschweigend die Vorschriften für die Baumscheiben geändert – entgegen der Mitmach-Strategie anderer Bezirke.
Die Initiative im Nachbarkiez hat dem zuständigen Stadtrat am 30. Juni die knapp 600 Unterschriften persönlich überreicht. Vielleicht weiß er es zu würdigen, was es bedeutet, in so kurzer Zeit so viele Unterschriften zu sammeln bzw. wie viel Unterstützung der Menschen das bedeutet. Wir werden sehen, ob das hier im Hintergrund stehende Thema der Verschärfung der Baumscheibenvorschriften in der nächsten BVV behandelt wird – im diesjährigen Klimawahlkampf ist ja so einiges möglich. Die Fraktionen und der Bezirksbürgermeister sollen jedenfalls kurzfristig angesprochen werden. Auch Nabu und BUND werden um Hilfe gebeten, sind die Baumscheiben doch ein wichtiger Teil der schützenswerten Umwelt, die in der autogerechten Stadt permanent vom Aussterben bedroht sind.
Unsere schlecht behandelten Sauerstoff- und Staub-Sklaven
Straßenbäume werden leider nur ein Bruchteil so alt, wie ihre Artgenossen in unberüherten Wäldern. Das liegt vor allem an den widrigen Umständen ihres Standortes: mit Harnsäure chemisch abgetöteter Boden, wegen des Klimawandels zu wenig Wasser, durch Kippen vergiftet, von Fahrrädern verletzt, von Kot infiziert, versalzen im Winter, von Tritten verdichtet, zerstochen von den Reisszwecken Wohnungssuchender. Die Pflege der Kleinstgärten durch Menschen im Kiez ist für die Baumscheiben – und damit für die Bäume – wie eine Ölung: der Boden wird aufgelockert, von Giftmüll befreit, die Harnsäure wird verdünnt, die bösen Keime weggeschwemmt. Der Boden bleibt dadurch am Leben und kann dem Baum behilflich sein, Wurzeln zu stärken und so seine Standfestigkeit zu erhöhen. Zusätzliche Vegetation schützt die Bäume vor Verletzungen. Würde das Grünflächenamt sich rigoros durchsetzen, wären die freiwilligen Pflegekräfte natürlich enttäuscht und demotiviert. Die Baumscheiben würden vermutlich wieder in den amtlich verordneten Ödlandzustand fallen und einen langsamen Tod sterben.
Am Freitag, den 2. Juli, wird die Initiative einen Pressetermin mit der Berliner Woche haben: um 11 Uhr vor der Fritschestraße 29. Außerdem um 10 Uhr eine Begehung mit dem Fachbereichsleiter beim Grünflächenamt.
Wer kennt eine*n „Baumscheiben-Botaniker*in“, die/der mit Expertise beraten und beistehen könnte? Sonst besorgt die Klimaliste Berlin (Bezirksgruppe Charlottenburg-Wilmersdorf) einen Diplom-Agrarwissenschaftler und Baumexperten. Wer am Freitag um 11 Uhr beim Pressegespräch dabei sein möchte, ist herzlich eingeladen. Bitte kurze Mail an Jörg Winners [Anm. d. Red.: nachträglich wieder entfernt] von der Initiative Fritschestraße.
Die Nachbarschafts-Initiative ist zum Beispiel auch auf nebenan.de vertreten: https://nebenan.de/feed/16981216
Die Wirtin von Birgits Pub macht auf Facebook auf die aktuelle Lage aufmerksam: https://www.facebook.com/birgits.pub
Für die Presse, weitere helfende Hände und mehr Unterstützende ist die Initiative auch direkt erreichbar: ℅ Jörg Winners & Hans Jürgen Zschäbitz, Fritschestraße 29 / 29a, Mobil: +49-172-392xxxx [Anm. d. Red.: nachträglich wieder entfernt].
Hallo Leute aus dem Klausener-Platz-Kiez,
sicher findet meine Auffassung zu Eurem Problem nicht unbedingt Zustimmung.
Das Vorgehen des Bezirksamtes ist sicher nicht gelungen!
Aber auf eine Baumscheibe für einen noch jungen(!) Baum Feldsteine, eine Sitzbank mit Mini-Schottergarten davor anzulegen ist sehr unüberlegt – welche Chance hat da noch ein Baum zum wachsen?
mfg R.W.
Rainer Wagners Kommentar trifft es leider: Baumscheiben sind diese kleinen Rest-Zonen, in denen Bäume mit ihrem Wurzelwerk nicht zubetoniert sind, wo die Erde leben sollte, Luft zirkuliert, Wasser eindringen kann. Aber statt einfach abzuräumen könnte das Grünflächenamt Hilfe leisten: etwa die durch Hundepippi und Kippen verseuchte Erde austauschen (macht etwa Hamburg), damit lockere Pflanzungen dort gedeihen, Rat geben, wie dort am besten gegärtnert, der Boden gepflegt wird, die Fahrradlobby daran erinnern, dass parken am Baum die Erde verdichtet, vielleicht Schulen gewinnen, Baumscheiben zu adoptieren (macht etwa Freiburg). Auch grüne Baumbeete können Kunstwerke sein!
Ich finde solche Bepflanzungen echt schön, dass sollte viel öfter gemacht werden. Schön das es vllt. doch alles so bleiben darf. Es ist traurig das die Behörden da wieder unnötigen Aufwand und Stress produzieren. Das bringt doch niemanden etwas. Außerdem ist das doch ein echt schönes Community Projekt und kann helfen die Nachbarschaft zu verbessern. Schade das sowas leider viel zu oft vorkommt. Aber mal schauen was passiert. Solche Baumscheiben sehen doch viel besser aus.